Uhr "Neptun"


'Neptun' im Dunkel


Inhalt


Von einigen Bildern gibt es größere Versionen: Rechte Maustatze→Grafik anzeigen (FireFox).


Röhren


Die wichtigsten Bauteile einer Nixie-Uhr sind natürlich die Röhren. ZM1210 in Aktion

In "Neptun" kommen 6 Telefunken ZM1210 zum Einsatz. ZM1210 Sie wurden in großer Stückzahl produziert und sind recht preiswert aus alten Lagerbeständen zu bekommen, etwa von Jan Wüsten.

Während die ZM1210 mit einem orangefarbenen Tauchlack überzogen ist, ist die ZM1212 "nackt". Sie zählen zu den kleineren bis mittelgroßen, aufrecht stehenden Nixies.

Ihre Befüllung enthält Quecksilber, was ihre Lebensdauer deutlich erhöht. Diese Langlebigkeit trägt paradoxerweise zu ihrem niedrigen Preis bei, denn Nixies ohne diese Füllung sind schon fast ausgestorben und nur noch als teure Einzelstücken zu erhalten.

Die ZM1210 ist multiplexbar. Dies ermöglicht sowohl ein Dimmen der Röhre als auch ein Multiplexen mehrerer Kathoden gegeneinander, zu sehen im Bild rechts: die zwei gestrippten (vom Tauchlack befreiten) ZM1210 sind gerade beim Überblenden von "40" nach "41". Im Bild sind beide bei ca. 50% getastet, die sich bei der rechten Röhre auf Kathode 0 und 1 verteilen. Spannung ist 160V via ca 6-8kΩ.

Einige Exemplare haben einen Dezimalpunkt unten links neben der Ziffer, der getrennt von diesen über eine elfte Kathode ansteuerbar ist.


Fassungen


Der Nachteil der ZM1210 ist, dass sie keine festen Kontakte hat, gegossenFassung um sie in eine Fassung zu stecken. Standardmäßig wurde sie wie auf dem linken Bild mit Pin-Ausrichtern aus rotem Plastik geliefert, welche die langen, dünnen Lötfahnen in Form halten. Die ZM1210 wurde direkt in die Platinen eingelötet.

Aus diesem Grunde habe ich eigene Fassungen hergestellt. Jede Fassung besteht aus 13 gedrehten Präzisionskontakten, wie sie in DIL-Sockeln zu finden sind, sowie einer mittig eingelassenen türkisfarbenen LED. Die Bauteile wurden mit wasserklar aushärtendem Gießharz vergossen, nachdem die Alu-Blende auf die Oberseite der Anzeige-Platine geklebt wurde. Zwischen den Pins bleiben Abstände von ca. 100±50μm.

Beim Fassungsbau bin ich folgendermaßen vorgegangen

  • Die Kontakte werden mit aufgesteckter Röhre gelötet. Dazu wird der Pinausrichter mit einem Gummi senkrecht an der Platine fixiert. Bei zweilagigen Platinen zieht sich Lot in die Löcher, so dass die Pinausrichtung nach dem Löten kaum mehr zu korrigieren ist. Daher ist es ratsam, vor dem Löten kleine Papierchen zwischen die Kontakte zu schieben
  • Die Kontakte werden mit einem Ohm-Meter auf Kurzschlussfreiheit überprüft. Ein normales Blatt Papier muss dazwischen passen.
  • Zur Herstellung der verlorenen Gussformen wird ein Metallrohr mit geeignetem Innendurchmesser und nicht zu kleiner Wandstärke mit einem Rohrschneider abgelängt. Auf ausreichend Gußrand achten. Die Formen werden aufgeschnitten und entgratet. Die Schlitze werden mit Bienenwachs sorgfältig verschlossen.
  • Die Förmchen werden unten mit Bienenwachs bestrichen und damit auf der Alu-Blende fixiert. Bienenwachs sorgfältig glätten.
  • Die Fassungen werden gegossen. Darauf achten, dass kein Harz in die Kontakte läuft.
  • Nach Aushärten des Harzes die Förmchen vorsichtig öffnen und entfernen. Die Anzeigeeinheit mit heissem Wasser vom Bienenwachs befreien.


Hochspannungs-Netzteil


Eine Schaltnetzteil: 9V --> 180V ZM1210 möchte eine Betriebs­spannung von ca. 150–180V haben. Dazu wurde ein Netzteil entwickelt, das aus der 9V Versorgungs­spannung der Uhr die benötigte Hoch­spannung erzeugt.

  • Eingangsspannung 9V= bis 12V=
  • Ausgangsspannung bis über 200V
  • Leistung bis ca. 4 Watt
  • Wirkungsgrad ca. 85%, keine Kühlung/Kühlbleche notwendig
  • Maße über alles: 78mm × 42mm × 23mm
  • Ausgangsspannung extern durch Widerstand trimmbar. Der Abgleich­widerstand ist auf der Hauptplatine der Neptun und als Reihen­widerstand aus dem Trimm­potentio­meter R13 und den vier Fest­wider­ständen R9-R12 realisiert. Die Fest­wider­stände sind durch je einen CMOS-Schalter 4066 (¼·IC7) nieder­ohmig über­brückbar. Die Fest­wider­stände wurden so ausgewählt, dass die 16 möglichen Regel­wider­stände den Ausgangs­spannungs­bereich von 145V–180V möglichst gleichmäßig überdecken. Zudem ist der Spannungs­bereich durch das Poti nachtrimmbar.

Schaltplan Schaltplan II

Die Topologie des Netzteils ist ein Aufwärts­wandler (voltage boosted boost converter). Hauptkomponenten sind der Schaltregler IC1, als Schalter ein per Kollektor­schaltung getriebener N-FET T4 und eine selbst gewickelte Drossel L1 (Buerklin 83D750 + 83D753, E16/8/5 E-Kerne). Die Elkos C2, C3 und C6 sind low ESR. Ein Teil des Spannungs­teilers zum Steuern des Schalt­reglers (IC1.FB) befindet sich auf der Platine (1MΩ, R2), der andere Teil aus vier Wider­ständen + Poti + 4066 befindet sich auf der Hauptplatine.

JavaScript-Tool zum Berechnen der Widerstände am 4066.



Hauptplatine


Hauptplatine (Unteransicht)
Hauptplatine von unten

  • Am linken Rand sieht man eine Drossel und mehrere Kondensatoren zum Bügeln der 9V-Versogung und der Hochspannung.
  • Daneben der P-FET (T1), mit dem das HV-Netzteil primärseitig von den 9V getrennt werden kann.
  • Über und unter T1 sind zwei 5mm LEDs eingelassen, die nach oben strahlen und die unteren Stirnseiten der kurzen Glaselemente beleuchten.
  • Rechts daneben ein 7805 (IC13) um die 5V-Logikspannung zu machen. Darüber und darunter zwei Steckverbinder für SPI-Bus und PWM.
  • Rechts daneben die ICs am SPI-Bus: 4 Portexpander (IC10, IC12, IC34, IC56), 6 antike Röhrentreiber (IC1-IC6) und ein 4-fach CMOS-Schalter (IC7).
  • Zwischen den SPI-ICs sind 6 weisse Trimmpotis, um die Anodenspannungen der Röhren einzeln abstimmen zu können um Exemplarstreuung auszugleichen.
  • Das IC ganz rechts ist ein μ-Controller (IC9).
  • Ganz rechts schliesslich ein Quarz (Q2), zwei weitere türkisfarbene LEDs und Kleinkram.

Hauptplatine (Oberansicht):
Hauptplatine von oben

  • Links die SUBD-9 Buchse (XVRö) zum Einstecken des HV-Netzteils, darüber ein kleiner Lautsprecher.
  • Daneben 2 LEDs und das kuperfarbenes Kühlblech am 7805.
  • Mittig vier Steckverbinder zum Aufstecken der Anzeige-Einheit (XA, X12, X34, X56).
  • Rechts Kleinkram, IR-Empfänger (IC8), rote Status-LED (LED1), Trimmpoti für die Röhrenspannung (R13)
  • Steckverbinder (ISP, UART, PWM, DCF77, 9V-Versorge, 4 Taster, TSOP)

Schaltplan Schaltplan II Schaltplan I

Die linke Schaltplanseite enthält Spannungsversorung, Anschlüsse und den µ-Controller (AVR ATmega8). Die rechte Schaltplanseite enthält die ICs am SPI-Bus, Röhrentreiber, oben rechts den vierfach CMOS-Schalter mit den Abgleichwiderständen zum Trimmen des HV-Netzteils, sowie die Verbinder zum Anzeigemodul.



Anzeige-Einheit


Unteransicht
Anzeige-Einheit von unten

Schaltplan Schaltplan III

Im Schaltplan dienen die nichtverbundenen Bauteile dazu, die Lötstoppmaske symmetrisch zu machen. Das spart Herstellungskosten. Ansonsten haben sie keine Funktion und werden nicht bestückt. Die LEDs und deren Vorwiderstände (nicht im Schaltplan sichtbar) sind frei verdrahtet.



Design-Konzept


Wie bei allen Projekten ist das schwierigste das Design und dessen Ausführung.

Nixieuhren gibt es viele. Die meisten sind nach dem Prinzip "Röhren auf Kiste" oder "Röhren in Kiste" entworfen. Meine Nixie-Uhr wird eine "Röhren im Rahmen"-Uhr: Elektronik, HV-Netzteil, DCF77-Modul, Beleuchtungs-LEDs, etc. werden im Rahmen (ausgegraut) verschwinden, während die Röhren ins Innere des ansonsten leeren Rahmens ragen. Daher auch die zunächst etwas ungewohnt scheinende Platzierung des HV-Netzteils links neben den Röhren stehend.

Die untere Innenkante des Rahmens ist die obere Seite der Anzeigeeinheit: 6 beleuchtete Röhrenfassungen in gebürsteter Alu-Blende. Die drei anderen Innenkanten des Rahmens werden durch Glaselemente gebildet (hellblau unterlegt), die an ihren Stirnseiten von je zwei türkisfarbenen LEDs beleuchtet werden können (blaue Pfeile). Die Alu-Blende ist 18.5cm breit und 5cm tief. Die Hauptplatine ist 25cm breit.

Eines der kurzen Glaselemente ist im Vordergrund sichtbar. Das lange Glaselement, provisorisch aufgestellt Es besteht aus 3mm breiten Streifen von wasserklarem 2mm-Floatglas. Die Streifen wurden mit UV-härtendem Spezialkleber zu den Glaselementen gefügt. Die Schnittkanten bleiben unbearbeitet. Werden die Glaselemente von den Stirnseiten her beleuchtet, dann tritt das Licht an den offenen Schnittkanten wieder aus; es scheint aus dem Nichts zu kommen. Damit man durch die Glaselemente nicht ins Innere der Uhr sieht, wird hinter den Innenseiten der Glaselemente noch was angebracht (Spiegel, Papier, Alu-Folie, ... muss mal schauen was wie wirkt).

Glaselemente stellt man wie folgt her:

Die langen Elemente bestehen aus ca. 18cm langen, 3mm breiten Streifen, die aus 2mm dickem Floatglas geschnitten wurden. Man sollte also Erfahrung und etwas Geschick im Umgang mit dem Glasschneider haben. Ich benutze einen ölgeführten Nikken-Schneidkopf (ca. 50€, im Fachhandel). Ebenfalls zu empfehlen sind Schneidköpfe von Toyo, gleiche Preisklasse.

  • Die Streifen werden nahe der späteren Stirnseite mit einem wasserfesten Stift direkt nebeneinander angerissen. An den Stirnseiten sollte man genügend Überstand vorsehen.
  • Die Längsschnitte werden im Linealschnitt ausgeführt, danach zwei Querschnitte über die beiden Stirnkanten.
  • Mit der Dreipunktzange bricht man paarige Streifen. Um diese Streifen zu trennen öffnet man mit der Dreipunktzange die Längsfissur von beiden Seiten. Aufgrund der Elastizität des Glases wird der Streifen nicht vollständig getrennt und die Fissur nur einige Zentimeter ins Glas laufen. Die so vorbereiteten Streifen legt man mit der Fissur nach unten auf die Schneidunterlage und drückt vorsichtig die Fissur auf. Ich verwende dazu einen alten Holzstiel.
  • Die Stirnseiten abbrechen und evtl. Kanten etwas stumpfen.
  • Glasstreifen sorgfältig waschen und von Markierungsresten, Schneidöl und Fett befreien, mit einem fusselfreien Handtuch trocknen. Die Planseiten nicht mehr berühren.
  • Die Streifen zu 4-er oder 5-er Päckchen mit UV-härtendem Glaskleber zusammenkleben, danach diese Teilelemente zusammenfügen. Als UV-Quelle eignen sich UV-Belichtungsbirnen wie Nitraphot, UV-EPROM-Löschgeräte und Halogenlampen ohne UV-Schutz.


Hardware-Konzept


Haupt-Stromversorgung
Externes 9V Stecker-Schaltnetzteil
Stromversorgung der Röhren
An 9V betriebenes, durch den μ-Controller in 16 Stufen einstellbares Netzteil-Modul. Der µC kann das Netzteil per P-FET komplett von der 9V Versorgung trennen.
Röhrentreiber
Durch 6×SN74141 sind die Röhren statisch ansteuerbar und ich bin nicht darauf angewiesen, Röhren gegeneinander zu multiplexen.
Busstruktur
Auf dem Board befindet sich ein halber SPI-Bus (output only). Am Bus hängen 4 Portexpander (74HC595), die insgesamt 32 gleichzeitig aktualisierbare Ports zur Verfügung stellen. Refresh alle 50μs (20kHz). Anschluss daran finden:
  • 6×4 Ports: 6 Röhrentreiber
  • 4 Ports: CD4066 zur Realisierung des Abgleichswiderstandes für das HV-Netzteil
  • 3 Ports: 3 Soft-PWM-Kanäle
  • 1 Port: Lautsprecher
Schnittstellen (Endbetrieb)
  • 4 Taster und Lautsprecher zur Rückmeldung
  • DCF77-Modul für den Zeitabgleich (Funkuhr)
  • Am μ-Controller sind noch Ports frei. Ich überlege einen Helligkeitssensor einzubauen, um die Helligkeit der Nixies der Umgebungshelligkeit nachzuführen.
Schnittstellen (Entwicklungsphase)
Die meisten Schnittstellen erleichtern die Entwicklung der Software und werden im Endbetrieb nicht mehr verwendet werden
  • Status-LED
  • Lautsprecher (er kann morsen, genauso wie ich)
  • IR-Empfänger, der einfach über eine Infrarot-Bedienung vom Wühltisch Kommandos an der Controller absetzt
  • UART (wirklich gebraucht hab ich ihn nie, im Zweifelsfalle sind es einfach zwei weitere digitale I/O-Ports
  • ISP-Schnittstelle
PWM
5 PWM-Kanäle (2 in Hardware, 3 in Software) um die coolen LEDs anzuschliessen oder sonstiges Zeug
μ-Controller
AVR ATmega8 @ 16MHz (8k Programmspeicher, 1k RAM, 0.5k nichtflüchtiger Datenspeicher)


Software-Konzept


Interrupt-Struktur

Nebenläufigkeit der zu erledigenden Aufgaben wird erreicht, indem die benötigten Routinen auf unterschiedlichen Interrupt-Ebenen – im folgenden als "Level" bezeichnet – abgearbeitet werden.

Level 2
Nicht-unterbrechbare Interrupts (SIGNAL). Einfache, zeitkritische Aufgaben: RC5-Empfang
Level 1
Unterbrechbarer Interrupt. Ein Timer-Interrupt, der alle 50µs getriggert wird. Zunächst werden die Daten, die sich in den Shiftregistern der Portexpander befinden, an die Ausgangs-Latches geschaltet. Dann werden IRQs aktiviert (die Timer-IRQ ist ebenfalls als SIGNAL implementiert). Die Daten an den Ausgängen der Expander hinken also immer um 50µs der eigentlichen Datenausgabe hinterher. Durch dieses Vorgehen wird ein kleinerer Jitter erreicht, das heißt eine bessere Konstanz der Ausgabe-Zeitintervalle.

Danach folgen Röhren-Multiplex, Datenausgabe an die Expander, bedienen des Lautsprechers (Frequenz) und im Raster von 10ms eine Reihe von Jobs. Pro IRQ wird nur einer dieser Jobs bedient, denn pro IRQ bleiben nur 50µs, das sind 800 CPU-Zyklen.
  • Asynchronen Timeout-Zähler bedienen
  • DCF-Empfang
  • Taster-Abfrage
  • Lautsprecher (an/aus)
  • Status-LED
  • RC5-Frames
  • ADC bedienen (Anodenspannung)
Level 0
Die normale Applikationsebene: Verarbeitung der DCF-Daten, Tastendrucke, Fernbedien-Kommandos, Darstellung am Display (Zeit, Datum und technische Infos wie Anodenspannung, Duty-Cycle der Röhren-PWM, Dimm der LEDs, DCF77-Status, Systemauslastung, etc.)